Montag, 8. Oktober 2012

500`000 tote Kinder : Das ist es wert

Wenn man die Aussenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika so ein bisschen verfolgt, dann hört man sehr oft das Säbelrasseln gegenüber dem Iran. Präsident Obama wird nicht müde zu betonen dass "alle Optionen auf dem Tisch liegen, auch militärische". Auch während seiner Rede vor der UN-Vollversammlung vor knapp zwei Wochen nahm der Iran einen grossen Teil der Ansprache ein. Obama wollte sich von den Kriegstreibern aus den eigenen Reihen (und allen voran natürlich von dem israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu) aber noch nicht in den letzten Zipfel seiner unausweichlich erscheinenden Ecke drängen lassen, sondern der Diplomatie noch etwas Zeit lassen. Selbstverständlich wäre diese Zeit nur begrenzt verfügbar, fügte der Präsident noch hastig hinzu. Was genau unter dem Begriff "Diplomatie" zu verstehen ist wurde nirgendwo weiter erläutert. Wenn man aber die Fakten betrachtet, dann kann die amerikanische und die europäische Diplomatie nicht gleichbedeutend mit jener Diplomatie sein, wie sie im Duden oder Wikipedia definiert ist. So soll die Diplomatie:

- den Agierenden Kompromissbereitschaft und den Willen bescheinigen, die Absichten und Wünsche jedes Beteiligten zu erkennen
- eine Win-Win Situation suchen
- es möglichst vermeiden die Verhandlungspartner blosszustellen oder in die Enge zu treiben

Noble Worte, aber im Falle des Irans scheinen Washington und Brüssel eine andere Definition anzuwenden. Hier steht Diplomatie für Sanktionen. Denn um jene Diplomatie anzuwenden wie sie nunmal im Duden oder Wikipedia beschrieben wird, braucht es auch Diplomaten in Form von Botschaften als Vertreter des Landes A im Land B. Aber die USA verfügen seit der gewaltsamen Besetzung der US-Botschaft in Teheran von 1979 über keine eigene Vertretung mehr, sondern sind sozusagen bei der schweizerischen Botschaft in Untermiete.
Wenn also US-Präsident Obama sagt dass er gerne der Diplomatie noch etwas Zeit lassen möchte, dann meint er, dass er den Sanktionen noch etwas Zeit lassen möchte um ihre vernichtende Wirkung weiter auszubreiten. Das diese zahlreichen Sanktionen, die schwersten und zahlreichsten mit denen jemals ein Land bestraft wurde, ihren Tribut fordern steht ausser Frage. Wie könnte es denn auch anders sein, der Iran steht seit 1996 unter ununterbrochener internationaler Sanktionierung welche das Ölgeschäft im Visier hatten.

Ein abschreckendes Beispiel von der tödlichen und als solches beabsichtigten Wirkung zeigen die Sanktionen die nach 1991 gegen den Irak eingesetzt wurden. Der ehemalige UN-Sonderbeauftragte Denis Halliday für das Programm "Öl für Nahrung" im Irak trat zurück, weil er die Auswirkungen der Sanktionen auf die irakische Bevölkerung nicht mehr länger ertragen konnte. Halliday begründete seinen Rücktritt damit: "Was für mich tragisch ist, nebst dem Irak selbst, ist die Tatsache dass die Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrates absichtlich ein Programm von Wirtschaftssanktionen pflegen, welches wissentlich tausende Iraker monatlich tötet. Und diese Definition beschreibt (einen) Genozid."
Als die damalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen (und spätere Aussenministerin)  Madeleine Albright bei einer Fernsehsendung 1996 genau danach gefragt wurde, nämlich das im Irak mehr als 500`000 Kinder gestorben sind aufgrund der Sanktionen und ob es das alles wert ist, antwortete sie: "Ich denke das ist eine harte Wahl, aber ich denke, wir denken, es ist es wert."


Nach diesem Vorbild scheint sich nun der Westen zum Thema Iran zu richten. Nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, auch in Europa sind Sanktionen gross in Mode gekommen. Insbesondere Grossbritanninen, Frankreich und Deutschland sind die grössten Befürworter der EU um den Iran mit Sanktionen zu belegen. So hat beispielsweise der aussenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag in Berlin, Philipp Missfelder, erst im November 2011gefordert dass die "internationale Gemeinschaft die Sanktionen umgehend verschärfen soll". Als Grund nannte Missfelder die "momentane Situation als äusserst besorgniserregend, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit unseres (von Deutschland) Partners Israel."
Damit gibt ein Vertreter der deutschen Regierung also zu, dass Deutschland und die anderen EU-Grossmächte den Iran nicht wegen einer angeblichen Bedrohung für sich selbst bestrafen, sondern weil der Iran eine angebliche Bedrohung für einen anderen Drittstaat darstellt, nämlich Israel.

Die amerikanischen Politkollegen von Herrn Missfelder äussern sich etwas detaillierter zu den Sanktionen, wie beispielsweise der Republikanische Senator von Illinois, Mark Kirk. Bei der Frage eines Radiomoderators ob Senator Kirk mit den Sanktionen tatsächlich die iranische Regierung bestraft, oder ob damit nicht viel mehr das Essen aus dem Munde der Bevölkerung genommen wird, antwortete Kirk: "Es ist ok das Essen aus dem Munde einer Bevölkerung zu nehmen, dessen Regierung einen Anschlag auf amerikanischem Boden plant". Sowas nennt man kollektive Bestrafung einer gesamten Nation für haltlose Anschuldigungen.

Für solche Äusserungen ist Senator Kirk nicht unumstritten, obwohl sie bei seinen grössten Gönnern der isrealischen Lobbyisten AIPAC sicherlich gut ankommen. Während des von Israel brutal geführten Gaza-Krieges von 2008/2009, wo über 1400 Palästinenser ums Leben kamen, sagte Mark Kirk während einer pro-Israel Veranstaltung zum Krieg in Gaza: "Um Shakespeare zu nutzen; etwas ist faul in Gaza, jetzt ist es an der Zeit den Müll zu entsorgen."

Es sind genau solche Männer, ohne jeglichen Sinn für Humanität, die tote Palästinenser als "Müll" bezeichnen und keine Probleme damit haben einer ganzen Nation das Essen zu verweigern, die am lautesten nach Sanktionen und Krieg rufen.


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