Freitag, 22. Februar 2013

Woher kommt die Macht der pro-Israel Lobby?

Und wieder hat es den schon fast bemitleidenswerten, künftigen US-Verteidigungsminister Chuck Hagel getroffen. Er geht als der erste Verteidigungsminister der amerikanischen Geschichte ein, der "Filibustered" wurde. Das bedeutet, anstelle dass die Herren Senatoren wie geplant die Abstimmung vollzogen hätten, gab es einige pro-Israel Senatoren die mit aller Macht diese Entscheidung verhinderten indem sie immer wieder neue Fragen in den Raum warfen bis die Abstimmung schlicht verschoben werden musste.

Wie kann es sein, dass ein paar Senatoren scheinbar ohne Rücksicht auf das eigene Image der Vereinigten Staaten von Amerika, vor aller Augen der Welt die Interessen eines anderen Landes vor die eigenen stellen? Und das, obwohl in Geheimdienstkreisen Israel zu den grössten Spionagebedrohungen für die USA eingestuft wurde (und nach wie vor wird) und somit eine Gefahr für die Nationale Sicherheit der USA darstellt. Trotzdem können Senatoren wie beispielsweise Jim Inhofe öffentlich sagen, dass ihre grösste Sorge "Hagel`s Position zu Israel" ist und dass man "nicht jemanden im Pentagon haben kann der solche Aussagen gemacht hat".

Nur um die Dimension dieser Aussage von Inhofe zu begreifen, muss man sich vor Augen führen dass die USA im Grunde pleite und unvorstellbar hoch verschuldet sind, die Militärs irgendwie aus dem Afghanistan Debakel heraus müssen und die Armut in den USA ungeahnte Ausmasse angenommen hat. Nebst solchen gigantischen Problemen ist für Senator Inhofe die grösste Sorge "Hagel`s Position zu Israel"!
Müsste da nicht seine Wählerschaft aus Oklahoma seinen Rücktritt fordern? Immerhin gilt seine Sorge offensichtlich mehr einem fremden Staat als seinen Mitmenschen aus Oklahoma. Einem Staat in welchem 16.8% der Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben: das sind über 610`000 Menschen!
Bei Senator Lindsey Graham, jenem Senator dem es "eiskalt den Rücken runterläuft" wenn jemand nicht bedingungslose Unterstützung für Israel zeigt, sieht es in seinem Heimatstaat South Carolina gar noch schlechter aus: 18.9% leben unterhalb der Armutgrenze! Und dennoch möchte Graham noch mehr amerikanische Steuergelder in Richtung Israel disponieren, Steuergelder welche seine Wähler in South Carolina erst einmal verdienen müssen.

Viele Menschen denken dass Angehörige des jüdischen Glaubens für diese extreme Einseitigkeit in den USA verantwortlich ist, oder dass es eine jüdische Lobby gibt, die ihre Macht ausgebaut hat. Wenn es überhaupt so etwas wie eine jüdische Lobby gibt, dann höchstens in New York wo auch der Anteil an der Gesamtbevölkerung über 5% liegt, verglichen mit einem landesweiten Anteil von nur etwa 1.8%.



Es wäre daher falsch zu behaupten, dass die blinde Unterstützung Amerika`s für Israel etwas mit dem jüdischen Glauben zu tun hat. Zumal über die Hälfte der in den USA lebenden Juden der Orthodoxen Richtung angehören und für sie der Staat aus religiösen Gründen ein Anathema ist.

Nein, die treibende Kraft hinter dieser amerikanischen Politik sind Evangelikale Christen die sich dem politischen Projekt des Zionismus verschrieben haben. Es sind gläubige Christen die in der politischen Entwicklung des 20. Jahrhunderts eine Reihe von biblischen Prophezeiungen erfüllt sehen und deshalb ohne Wenn und Aber hinter Israel stehen. Und in diesem Zusammenhang kommt aber das wichtigste Paradoxon:

Diese kompromisslose Haltung passiert nicht etwa weil diese zum Zionismus konvertierten Christen (daher auch der Ausdruck christliche Zionisten) so sehr die Menschen in Israel bewundern oder eine besondere Affinität zum jüdischen Glauben hegen. Im Gegenteil. Die christlichen Zionisten erwarten als finalen Akt der biblischen Prophezeiungen das Zweite Kommen von Jesus Christus und der damit verbundenen Konvertierung der Juden zum Christentum! Und was noch viel Wichtiger für sie ist, sie erwarten die eigene Entrückung von dieser Welt in das Reich Gottes.


Mit Israel erfüllt sich die Prophezeiung der Bibel

Seit einigen Jahrzehnten gibt es in den USA das Phänomen der sogenannten "Born again Christian", also wiedergeborene Christen. Das bedeudet nichts weiter als dass diese Menschen durch irgendeine, der höheren Macht verschriebenen Erfahrung sich dem Glauben wieder zuwenden. Damit schliessen sie die Lücke die Anfang des 20. Jahrhunderts entstand, als sich die säkulare Elite und die breiter werdende Mittelschicht von der Kirche und der Religion entfremdet hatte. Der Staat selbst, oder besser gesagt die Zentralregierung in Washington D.C. (für die einzelnen Staaten trifft das nicht zu), verfolgte eine streng laizistische Ordnung (also Trennung von Kirche und Staat). Der ehemalige Präsident Bill Clinton weichte diese strikte Trennung mit einer präsidialen Direktive 1997 auf, welche bis heute nicht zurückgenommen wurde. Mit dieser Direktive ermöglichte Clinton zum ersten Mal seit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika, dass Bundesangestellte auf dem Arbeitsplatz und den dazugehörenden Einrichtungen offen ihren Glauben zur Schau stellen und darüber frei sprechen konnten. Es gibt sogar im Weissen Haus eine Bibelstunde, das "White House Christian Fellowship", in welcher sich die Senatoren und Abgeordnete, sowie Regierungsbeamte überparteilich treffen und sich der Bibel oder Gebeten widmen. Hier in dieser kleinen elitären Runde gibt es keine Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern, hier ist man sich ausnahmsweise einig.

Solche Bilder kann man sich heutzutage in Europa sicherlich nicht mehr vorstellen wie im Kanzleramt in Berlin, oder irgendeinem anderen Regierungsitz, die Politiker zu einer Bibelstunde zusammenkommen und dem Wort Gottes horchen.
In den USA ist der Glaube aber tief in der Bevölkerung verwurzelt und reicht bis zu den allerersten Siedler zurück. Sie sahen sich selbst als die neuen Israeliten, auf einem erneuten Exodus und davon überzeugt, dass Gott sie auserwählt hat! Es ist daher auch keineswegs ein Zufall dass die erste Siedlung Salem genannt wurde, hebräisch für Frieden. Auch das erste College das in der Neuen Welt 1636 gegründet wurde, die heutige Eliteuniversität Harvard, hatte den Zweck den dringenden Bedarf an ausgebildeten Klerikern zu decken. Entsprechend lag der Schwerpunkt des Leistungangebotes auf Hebräisch, und die Schüler wurden fast den ganzen Tag trainiert um das Alte Testament aus dem hebräischen und Alt-griechischen ins Englische zu übersetzen.

Diese Siedler legten den Grundstein für das heutige kollektive Empfinden als "das auserwählte Volk". Die Besitznahme von Land und die spätere Verfolgung der einheimischen Bevölkerung, der Indianer, rechtfertigten sie mit den gleichen Bibelpassagen (Buch Genesis 13-20) wie es heute die jüdischen Siedler in der West Bank in Palästina tun.
Der Wunsch, oder besser gesagt die Vorstellung der Repatriierung der Juden nach Palästina war bei den Christen in den USA und teilweise auch England`s bereits lange vor der Gründung des Zionismus vorhanden. Der vierte Präsident der USA, John Quincy Adams, schrieb 1819 an einen amerikanisch-jüdischen Weltenbummler, Mordecai Manuel Noah, und schlug ihm vor eine 100`000 Mann starke Truppe von "Israeliten" anzuführen, und diese nach Judäa einmarschieren zu lassen und gegen die Osmanischen Truppen zu kämpfen damit die "jüdische Nation wieder hergestellt wird". Aber diese zu dieser Zeit völlig utopische Idee (allein schon deshalb da es zu dieser Zeit nur etwa 4000 Juden auf dem Staatsgebiet der USA gab)  des künftigen Präsidenten erfolgte nicht aus blanker Selbstlosigkeit den Juden gegenüber, nein, auch Quincy glaubte daran dass diese "repatriierte Juden Christen werden könnten, weil doch ihr Jehovah auch unser Jehovah" ist.

Mit der Gründung Israels im Jahr 1948 und der Einführung von Hebräisch als Staatssprache, glaubten viele Menschen an ein Wunder. Es war auch die Zeit als die Religion im Allgemeinen bereits an ihrer Bedeutung verloren hat und die Evangelikalen (mit dieser Bezeichnung assoziierte man eher niedrig ausgebildete weisse Schichten, vorwiegend vom Land mit klaren patriarchalischen Zügen und streng gläubig) zu einer schon fast verschrieenen Kultur angehörten. Ein Evangelikale beschreibt sich selbst als jemand, der daran glaubt dass die Bibel die oberste Autorität für den religiösen Glauben und Praktiken ist; der eine sehr persönliche Beziehung zu Jesus Christus hat; und der einen aktiven Weg sucht um seinen Glauben auch anderen Menschen nahe zu bringen bzw. sich sozial engagiert. Aus diesem Grund sind Evangelikale angehalten, einen Beitrag von mindestens 10% des Jahreseinkommens für wohltätige Zwecke oder zur Förderung der evangelikalen Ziele zu spenden. Es ist in diesem Zusammenhang schon bemerkenswert festzuhalten, dass sich gemäss der Studie von Dr. Michael Lindsay (er schrieb auch ein Buch darüber; Faith in the halls of Power) evangelikale Millionäre und Milliardäre auch tatsächlich an diese aus dem Alten Testament entnommene "Spende", der Zehnte, halten und sogar noch grössere Beiträge spenden während sie nichts unversucht lassen um keine Steuern zahlen zu müssen. Übrigens gibt es diese Form der Spende auch bei Muslimen und heisst zakat, allerdings wird die zakat von unseren Medien sehr gerne als etwas Negatives dargestellt während man den Zehnten in den USA komplett verschweigt.

Die richtige Begeisterung und die Bildung von Christlichen Zionisten kam erst nach dem militärischen Erfolg Israels im Sechstagekrieg von 1967, als Israel den Gaza-Streifen, die West Bank und die Golan-Höhen erobert und besetzt hatte. Hiermit wurden die gläubigen Christen Zeugen einer der wichtigsten Prophezeiungen aus der Bibel: die Herrschaft Israels über ganz Jerusalem und dem biblischen Kanaan. Das gab den Evangelikalen solch einen ungeahnten Schub, dass sich danach immer mehr Menschen aus der Oberschicht als "born again" bezeichneten und auch die christlichen Zionisten einen wahren Zulauf erhielten. Das erkannte Ende der 1970er Jahre auch der israelische Premierminister Menachem Begin, der alarmiert ob der Friedensinitiative von Präsident Jimmy Carter, Händeringend nach Verbündeten in den USA suchte. Er liess einige Vertreter der grössten Kirchen die Israel äusserst positiv gegenüberstanden, wie beispielsweise Jerry Falwell, nach Jerusalem einfliegen und hofierte sie mit allen Annehmlichkeiten. Das war die Geburtsstunde der intimen Umarmung von Likud und den christlichen Zionisten.

Das Leid der Palästinenser spielte in dieser gesamten Entwicklung nie eine Rolle in dieser Umgebung. Der grösste Teil der Amerikaner die an die Erfüllung der biblischen Prophezeiungen glaubte, glaubte auch an die damalige Propaganda dass es "sowas wie ein palästinensisches Volk gar nicht gibt" oder die noch ältere und von verschiedenen israelischen Politikern gern zitierte Phrase von "wir sind ein Volk ohne Land und Palästina ist ein Land ohne Volk". Und wenn es doch welche gab die sich eingestanden dass es dort Menschen gab die von Israel vertrieben wurden oder unter einer Besatzung leben, sahen darin dennoch kein weiter bedeutendes Problem da das Land ja ihrer Meinung nach von der Bibel für die "Israeliten" vorgesehen ist.

Diese Umarmung Israels mit den christlichen Zionisten, wohlwissend dass diese Christen im Grunde eine ganz andere Endzeitvision für die Juden haben, führte aber dazu dass sich immer mehr Amerikanerinnen und Amerikaner für Israel interessierten und Gruppierungen gegründet wurden, die über hunderttausende von aktive Anhänger verfügen.
Die grösste solche Organisation heute ist die "Christians United for Israel" mit über einer Million Anhänger. CUI organisiert im ganzen Land Anlässe, die "Night to Honor Israel", wo Sprecher aus Politik und Wirtschaft sich die Klinke in die Hand geben und für eine Unterstützung für Israel werben. Es gibt noch hunderte weitere solcher Organisationen in den USA, manche sogar mit dem ausgesprochenen Ziel der Förderung und Unterstützung von jüdischen Siedlungen in der West Bank, wie die "Christian Friends of Israeli Communities" (in den USA werden die Siedlungen nicht gerne beim Namen genannt, sondern lieber Communities).
Nebst diesen christlich-zionistischen Organisationen gibt es auch die rein politisch motivierten Lobbyisten wie AIPAC, die "Conference of Presidents of Mayor American Jewish Organisations" oder die "Anti-Defamations League" um nur einige der grössten Organisationen zu nennen.

Diese Millionen von Christen in den Vereinigten Staaten von Amerika, sind das was die US-Politik immer wieder gerne als "spezielles Band" zwischen Israel und den USA nennt und der eigentliche Grund hinter der zum Nachteil der USA geführten Aussenpolitik im Nahen und Mittleren Osten. Israel wurde so zum Ausganspunkt jeglicher Betrachtungsweise in dieser Region stirilisiert und die Politik der Supermacht Amerika dieser Betrachtungsweise untergeordnet. Das und NUR DAS, ist die einzige wirkliche Gefahr für Israel, weil dadurch keine politische Lösungen in welchem Konflikt auch immer möglich sind. Denn sobald Israel wieder einmal ihre "Gefahr der Vernichtung" in Bezug auf den Iran (davor war es der Irak) oder der "Gefahr für die nationale Sicherheit" in Bezug auf die Besatzung der West Bank in die Welt schreit, dann werden massive Hebel in den USA in die Gänge gesetzt um die gewählten Politiker so unter Druck zu setzen, dass schliesslich alles (das Meiste) nach der Vorstellung Israels verläuft. Das ist die wahre Macht hinter der pro-Israel Lobby!
Kein Wunder also, dass immer mehr Kommentatore gegen diese blinde und einseitige Politik des Kongresses und Weissen Hauses aufbegehren. Erst kürzlich sagte der bekannte Moderator der Sendung "Real Time with Bill Maher" des grossen Fernsehsenders HBO, dass die "Israelis unsere Regierung kontrollieren". Obwohl das übertrieben ist, spiegelt es doch eine gewisse Frustration wieder wie es so weit kommen konnte, dass die USA Entscheidungen trifft die nicht im eigenen Interesse stehen.


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