Montag, 22. April 2013

USA: Schizophrene Signale an Iran

Im letzten Jahrzehnt haben die Vereinigten Staaten von Amerika viel vom einstigen Prestige als Vorbild für eine breite Schicht der Weltbevölkerung verloren. Wo noch eine grosse Solidarität unmittelbar nach 9/11 herrschte, musste diese Solidarität für viele verschiedene Betrachtungsweisen und Gefühle Platz machen, als die USA wie ein verwundeter Löwe wild um sich schlug.

Mit dem unendlichen "Krieg gegen den Terror" haben die USA und ihre Verbündeten nicht nur die allgemein gültige Vorstellung von Werten und Moral ausgehebelt, ganz nebenbei haben sie gegen eine ganze Reihe von internationalen Gesetzen verstossen und sich von der hässlichsten Seite der Welt präsentiert. Und wovon nur selten in den Medien gesprochen wird: sie haben unsägliches Leid über die Bevölkerung von Afghanistan, Irak und Pakistan gebracht (und im Jemen, Libyen, sowie indirekt auch über Syrien und Palästina).
Etwa 1.7 Millionen Menschen, durch direkte Kriegseinwirkung oder deren Folgen, mussten in diesen Ländern seit 2001 (bis Ende 2011) ihr Leben lassen, wie der Bericht der deutschen Sektion der "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung" festhält.
Und noch etwas anderes fällt dabei auf: dieser Genozid fand ausschliesslich in muslimischen Ländern statt, OHNE dass die verantwortlichen Drahtzieher vor irgendein Kriegsverbrechertribunal gestellt worden oder sonstwie zur Rechenschaft gezogen worden wären.

Auch der Iran wurde in diesem Klima der Angst zur Zielscheibe der amerikanischen Regierung und später auch deren europäischen Verbündeten. Zwar nicht militärisch weil die Invasion im Irak nicht so verlief wie erhofft, aber doch mit immer grösser werdender Kriegsrhetorik und neuen Sanktionen.
Die ganze Angelegenheit wurde noch damit erschwert, dass beide Länder nicht miteinander kommunizieren. Washington`s offizielle Linie ist es, nicht mit einem "Regime" zu reden weil es ihm sonst Legitimität verleiht. Aber auch in Teheran gibt es Hardliner die einen Dialog mit dem "Grossen Satan" als Verrat an der Revolution und an Imam Chomeini betrachten und nur darauf warten, dass sich ihre negativen Prophezeiungen und Warnungen im Hinblick auf die USA erfüllen. Genau diese Situation war es, welche die iranischen Konservativen nach den Parlamentswahlen von 2003 wieder zurück an die Macht gebracht hat. Der Iran suchte die Annäherung an die USA, und erntete dafür das höchst schändliche Label "Achse des Bösen". Nur mit dieser einer Bezeichnung schaffte es die Administration von George W. Bush, jegliche Reformation im Iran zunichte zu machen und bekräftigte die Konservativen in ihren Warnungen.

Die USA beliessen es jedoch nicht nur bei der Rhetorik und Sanktionen. Geheimdienstoperationen, Eindringen in den iranischen Luftraum durch Drohnen, aktive Unterstützung von iranischen Dissidenten wie die Mujahedeen-e Khalq oder Jundullah, massive militärische Ausrüstung der Nachbarn auf der anderen Seite des Persischen Golfes, und schliesslich auch Nötigung der iranischen Handelspartner steht auf der Haben-Seite der USA.
Und was in den USA vermutlich nur einige wenige Spezialisten wissen: mit diesen ganzen Aktionen bricht Washington nicht nur internationales Recht, sondern auch einen eigenen Vertrag welcher am 19.01.1981 unter Vermittlung von Algerien von beiden Staaten unterschrieben wurde. Dieser "Vertrag von Algier" wie er bekannt wurde, regelte die Freilassung der amerikanischen Geiseln in Teheran sowie die Rückgabe des in den USA konfiszierten Vermögens des Shah`s. Und der wichtigste Punkt in den Augen Teherans war auch gleichzeitig der erste Punkt im Vertrag:

1. Nicht-Intervention in iranische Angelegenheiten , Die Vereinigten Staaten versprechen das es von nun an die Politik der Vereinigten Staaten sein wird nicht zu intervenieren, direkt oder indirekt, politisch oder militärisch, in Irans interne Angelegenheiten. 

Als am 20.01.1981, also nur einen Tag nachdem der Vertrag von Algier unterzeichnet wurde und Ronald Reagan als neuer Präsident vereidigt wurde, kamen die 52 verbliebenen Geiseln frei und wurden in die USA ausgeflogen. Washington hielt sich aber nur an die erste Bedingung zur Freilassung der Geiseln, nämlich die Überweisung der ersten Tranche des eingefrorenen iranischen Guthabens über 3.7 Milliarden USD.
An den aus iranischer Sicht wichtigsten Punkt der Nicht-Intervention hielten sich die USA bekanntlich nicht.

Nun argumentieren vielleicht die Kritiker dass sich die USA ja auch nicht an irgendwelche Abmachungen halten müssen, solange sich der Iran ebenfalls nicht an seine internationale Verpflichtungen im Rahmen seines Atomprogramms hält und an dem Bau einer Atombombe festhält. Aber Beweise gibt es bis zum heutigen Tage für diese Anschuldigung nicht. Ganz im Gegenteil. Während des Geheimdienstausschusses am 12.03.2013 sagte der Direktor der Nationalen Geheimdienste (also der Chef der Direktoren aller Geheimdienste zusammen) James Clapper, dass der Iran über kein Nuklearwaffenprogramm verfügt, keine Atombombe baut und bisher auch keine Entscheidung getroffen hat eine solche Bombe bauen zu wollen.  
Das bestätigte vor dem gleichen Ausschuss letzten Donnerstag auch der Direktor des Geheimdienstes des Pentagons, Lt.Gen. Michael Flynn.

Diese Einschätzung ist für Präsident Obama nichts Neues, spiegelt sie doch nur die Tatsachen wieder welche bereits bei seiner ersten Amtseinführung vorherrschte. Man könnte meinen, dass er deshalb auch den gross angekündigten Wechsel zum iranischen Neujahrstag im März 2009 medienwirksam verkündete: "Meine Administration ist jetzt einer Diplomatie verpflichtet, welche die volle Bandbreite von Angelegenheiten (welche) vor uns (liegen) ansprechen wird, und (welche) eine konstruktive Bindung zwischen den Vereinigten Staaten, Iran und der Internationalen Gemeinschaft verfolgt. Wir reichen ihnen (der iranischen Regierung) eine Hand, wenn sie bereit sind ihre Faust zu öffnen."
Viel Hoffnung wurde in diese Rede Obama`s gesetzt, genau so wie in seine Rede nur kurze Zeit später in Kairo, doch noch während er öffentlich eine Hand in Richtung Teheran ausstreckte, liess er gleichzeitig einen Cyberkrieg gegen den Iran unter dem Namen "Operation Olympic Games" entfachen. 
Die Schuld das aus dieser "ausgestreckten Hand" keine Annäherung zwischen den USA und dem Iran folgte, wurde gänzlich in die Schuhe von Teheran geschoben. Man kann aber schlicht und ergreifend nicht die eine Hand zum Frieden strecken, während die andere Hand gleichzeitig zuschlägt.

Kein Wunder also, wenn der beliebte Kolumnist der New York Times Roger Cohen schreibt: die Diplomatie ist tot. Er schreibt auch, dass Obama sich seinen Friedensnobelpreis erst noch verdienen muss.
Unter den gegebenen Umständen kommt man nicht umher als Roger Cohen für seine Feststellungen Recht zu geben. Und genau so sieht es die Regierung in Teheran auch. Die ganzen Gespräche und Verhandlungen mit der sogenannten 5+1 Gruppe (Russland, China, Frankreich, Grossbritannien, Deutschland + USA) bringen nichts, solange Washington den Takt vorgibt und Konzessionen verlangt, welches kein Land dieser Welt bereit wäre zuzustimmen. Das Problem dabei ist, dass es im Grunde nicht "nur" eine 5+1 Gruppe ist, sondern eine 5+1.5 Gruppe. Das noch 0.5 dazu gerechnet werden muss, liegt daran dass die USA in ihren strategischen Punkten noch die Rolle Israels einbeziehen müssen. Das wiederum bedeutet, dass sich Washington in den Verhandlungspunkten mit Teheran nicht auf die eigenen Nationalen Interessen verlassen kann, sondern auch die vom Kongress durchgepeitschten, und von der zionistischen Lobby initiierten (auch hier nochmal der Hinweis darauf, dass nicht von einer pro-Israel Lobby gesprochen werden kann da diese Handlungen Israel mehr schaden als gut tun. Dem zionistischen Projekt dient diese Politik jedoch sehr wohl) anti-Iran Positionen berücksichtigen muss. Das ist dann genau der Punkt, wo sich der Hund selbst in den Schwanz beisst und ich bereits hier beschrieben habe.

Die Rolle Israels in diesen Verhandlungen über Irans Atomprogramm darf man in keinster Weise unterschätzen, obwohl das Land gar kein offizieller Teilnehmer der Gespräche ist. Aus Tel Aviv kommen die ärgsten Kriegsdrohungen gegen den Iran, was an sich schon bereits ein Verstoss gegen Artikel 2 der UN-Charta ist. Präsident Obama muss daher seine Rhetorik der Stimmung im eigenen Land entsprechend anpassen, aber seine Handlungen zeigen bisher keine deutliche Abgrenzung zwischen Rhetorik und Aktivismus. Und während er seinen Vizepräsidenten Joe Biden im Februar an die Sicherheitskonferenz nach München entsandte um wieder einmal dem Iran eine Hand zu reichen, mobilisierte die zionistische Lobby unter der Führung von Senator Lindsey Graham weitere Unterstützer für die "Resolution 65".


Mit dieser weiteren anti-Iran Resolution schafft der Kongress Fakten, welche bei späteren Verhandlungen mit Teheran berücksichtigt werden müssen. Und diese Resolution geht soweit wie keine andere jemals vorher. Denn was hier von US-Senatoren unterstützt wird, ist fast so etwas wie ein Freischein für Israel. In einem der Punkte heisst es: sollte Israel gezwungen sein militärische Mittel zur Selbstverteidigung anzuwenden, soll die US-Regierung Israel mit diplomatischen, militärischen und wirtschaftlichen Mitteln unterstützen. 
Was passieren muss damit Israel "gezwungen wird um militärische Mittel zur Selbstverteidigung anzuwenden" wird natürlich nicht beschrieben, damit sind Tür und Tor für verschiedene Interpretationen geöffnet. Nachdem George W. Bush die "Präventivschlag"-Doktrin eingeführt hat und Israel seitdem nicht mehr allein mit dieser Doktrin ist, könnte eine rechtsgerichtete Regierung wie die von Binyamin Netanyahu einen Krieg gegen den Iran beginnen, welchen die USA dann zu Ende führen müssten, weil sich Washington mit dieser Resolution 65 dazu verpflichtet hat.
Das sich Washington bereits auf diesem Gleis befindet, beteuerte erst Gestern Verteidigungsminister Chuck Hagel als er sagte, dass die USA das Recht Israels anerkennen, selbst entscheiden zu können ob sie zuschlagen. Gleichzeitig bestätigte er auch die Nachricht, dass die USA militärische Hardware an Israel verkaufen werden wie das Tankflugzeug KC-135 oder das hochmoderne Transportflugzeug V-22 Osprey. Israel wird damit das einzige Land nebst den USA, welche über dieses Transportflugzeug verfügt um schnellere und flexiblere Einsätze zu fliegen. Auch das Tankflugzeug KC-135 wird den Operationsradius der israelischen Luftwaffe IAF massiv erweitern und somit den Iran ins Visier israelischer Bomber bringen, galt die Entfernung bisher als grösstes Hindernis für einen israelischen "Präventivschlag". Auf die Frage ob dieser Verkauf an Israel ein Signal an den Iran sein soll, antwortete Hagel: "Ich denke nicht dass es irgendeinen Zweifel daran gibt, dass es ein weiteres sehr klares Signal an den Iran ist."

Zum Gesetz wird auch der Punkt erhoben, dass der Iran nach Nuklearwaffen strebt und deshalb eine Bedrohung für die USA, Israel und den Westen (was für die Verfasser dieser Resolution ein und das selbe ist) darstellt, OBWOHL der oberste Geheimdienstchef James Clapper (sowie viele andere auch) genau das Gegenteil vor dem Geheimdienstausschuss ausgesagt hat wie bereits weiter oben erwähnt wurde. Und das würde dann in der Praxis bedeuten, dass die USA noch Jahre mit dem Iran über etwas verhandeln MÜSSEN, nur weil sie sich selbst dazu per Gesetz verpflichtet haben.

Angesichts dieser Entwicklung und den nahezu an Schizophrenie grenzenden Signalen aus Washington, darf doch die Frage gestattet sein wie und weshalb der Iran Verhandlungen über etwas durchführen soll, was nicht existiert? Aber setzt sich Teheran nicht an den Verhandlungstisch, zumindest nicht unter diesen Voraussetzungen, dann droht dem Land das gleiche Schicksal wie den Nachbarn im Irak und Afghanistan.

 Boeing KC-135 Tankflugzeug
 V-22 Osprey

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