Mittwoch, 11. September 2013

Iran als Joker für Frieden

US-Präsident Barack Obama muss sich ziemlich einsam vorgekommen sein auf dem G-20 Gipfel in St.Petersburg letzte Woche. Ausser Israel, Saudi Arabien, Qatar, Vereinigte Arabische Emirate und die Türkei scheint Obama ziemlich alleine mit seinen Kriegsplänen gegen Syrien dazustehen. Von dem durch das eigene Parlament zurechtgewiesenen britischen Premierminister David Cameron und dem französischen Präsidenten Hollande mal abgesehen.

Keiner möchte nach dem tragischen Irak-Fiasko den höchst zweifelhaften Bekundungen aus den Weissem Haus Glauben schenken, sowieso nicht wenn man weiss dass die israelische Geheimdiensteinheit U8200 hinter den angeblichen Beweisen steckt und der saudische Geheimdienstchef Prinz Bandar vor Ort in Syrien und der gemeinsamen Basis in Jordanien direkt die Fäden zieht. Es grenzt schon an naivem Fatalismus dass das Weisse Haus in Washington tatsächlich davon überzeugt war, dass man mit der veröffentlichten "Beweisfindung" vom 30. August 2013 tatsächlich das eigene Volk für so dumm verkaufen könnte. Selbst der Stabschef des Weissen Hauses, Denis McDonough, musste am Wochenende zugeben dass man nicht über die "unwiderlegbaren, zweifelsfreien Beweise" verfüge. Dennoch hält die Obama-Administration aber an ihrem Kurs fest, weil "der gesunde Menschenverstand sagt, dass er (Präsident Assad) dafür verantwortlich ist. Er sollte zur Rechenschaft gezogen werden."

Das haben aber die meisten Senatoren und Kongressabgeordnete, wie auch der Grossteil der amerikanischen Bevölkerung, ebenfalls erkannt dass man ohne konkrete Beweise nicht in einen weiteren Krieg in einer ohnehin schon explosiven Region eintreten kann.
Auch wenn US-Aussenminister John Kerry bereits ein praktisches Problem gelöst hat, nämlich der Finanzierungsfrage eines potentiellen US-Angriffes. Denn die USA selbst könnten sich diesen Angriff nicht leisten, egal in welcher Form auch immer dieser stattfinden könnte. Kerry aber versicherte in einer Anhörung, dass "arabische Länder angeboten haben die Kosten zu tragen und zu unterstützen".
Das wäre ja nicht das erste Mal dass Saudi Arabien und die anderen Scheichtümer amerikanische Interventionen bezahlen. Aber es wäre das erste Mal dass die USA einen Krieg führen, der nahezu vollumfänglich von regionalen Mächten geschürt wird und keine Bedrohung für die USA darstellen. Manche bringen Vergleiche wie Kosovo oder Libyen, aber diesesmal gibt es nicht einmal mehr die Unterstützung der NATO, von einem international rechtsgültigen UN-Mandat ganz zu schweigen.
Auch das ist dem US-Kongress natürlich vollkommen klar.
Der Kongressabgeordnete Alan Grayson ging sogar soweit und beschuldigte die Obama-Administration, die Geheimdienstlichen Beweise manipuliert zu haben um die eigene Agenda voranzutreiben!
Wie dem auch sei, im Kongress und Senat deutet sich alles andere als eine Freikarte zur Bombardierung von Syrien an. Ausnahmslose ALLE Umfragen und Statistiken belegen, dass a) das amerikanische Volk keinen US-Angriff haben möchte und b) das die Abstimmung im Kongress negativ für die Kriegstreiber ausfallen wird. Aus diesem Grund mobilisiert die zionistische Lobbyistin AIPAC ihre Experten um den massiven Einfluss über den Kongress geltend zu machen und die Kongressabgeordnete für einen Krieg zu "überreden", den im Grunde genommen niemand haben will. Es darf aber angezweifelt werden ob sich die Senatoren und Abgeordnete in diesem Fall umstimmen lassen, angesichts des enormen Widerstandes ihrer Wähler und Wählerinnen in den Heimatstaaten. Und wenn doch, dann dürfte diese Episode auch dem grössten Skeptiker die Augen öffnen und der ganzen Welt zeigen, dass die USA sich vor den Karren von fremden Mächten spannen lässt.


Der aktuellen Kriegsrhetorik aus Washington, Paris und London hat niemand geringeres als Russland gerade den Riegel davorgeschoben. Und zwar nicht mit Waffengewalt, sondern mit etwas was der amerikanischen Diplomatie seit Jahren abhanden gekommen ist: die Diplomatie selbst!
US-Präsident Barack Obama sollte sich bei seinem russischen Amtskollegen höchstpersönlich für dieses Geschenk bedanken, denn Putin ist es zu verdanken dass das Pulverfass Syrien nicht explodiert; zumindest nicht für den Moment.

Und genau das wird den Kriegstreibern alles andere als gefallen. In Israel beschreibt die Tageszeitung Ma`ariv die Situation folgendermassen: "Obama ist ein moralisch schwacher Präsident... und er lief mit offenen Armen um den russischen Bären zu umarmen, der ihm eine Falle gestellt hat". Und weiter heisst es: "ab heute heisst die neue Devise des Friedensnobelpreisträgers, Massenvernichtungswaffen sind wie Spielzeug: man darf sie benutzen, nur wäre es wünschenswert es nicht zu übertreiben."
Das Barack Obama nicht gerade ein Franklin D. Roosevelt oder George H.W. Bush ist (oder meinetwegen auch nicht ein Ronald Reagon), sollte nach 4.5 Jahren Obama-Administration jedermann klar sein. Aber Obama ist nicht dumm. Er weiss dass der von ihm geforderte US-Angriff gegen jegliche Rechtsnormen verstossen hätte, weil dieser Angriff aber auch rein gar nichts mit einer Bedrohung für die Nationale Sicherheit der USA zu tun gehabt hätte. Und was noch viel wichtiger ist, er weiss dass das US-Militär im Auftrag einer fremden Macht gehandelt hätte.

Entsprechend negativ fiel auch die Reaktion der Sondersitzung der GCC-Länder aus (Saudi Arabien, Qatar, Bahrain, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate). Bahrains Aussenminister, Prinz Khalid bin Ahmed Al Khalifa, ging sogar soweit und nannte die so wichtige Initiative Russlands als "eine Aussage die nichts an dem Blutvergiessen verändere". Bahrain sei der "Verschleppung" müde und fordere die internationale Gemeinschaft auf, um "geeigente abschreckende Massnahmen gegen das syrische Regime" zu unternehmen. Über die Konsequenzen eines US-Schlages gegen Syrien sei man sich auf der Arabischen Halbinsel vollkommen bewusst und man ist bereit, damit "umzugehen".
Es ist schon bemerkenswert das sich ausgerechnet das kleine Scheichtum Bahrain so weit aus dem Fenster lehnt und der Welt verkündet, dass man bereit sei mit den Konsequenzen einer Explosion der gesamten Region umgehen zu können. Dabei ist das Herrscherhaus Al Khalifa nicht einmal in der Lage mit der eigenen Bevölkerung klar zu kommen und holte sich die Hilfe von Saudi Arabien um die friedlichen Demonstranten zusammen zu schiessen.



Ganz anders fiel die Reaktion im Iran aus. In Teheran begrüsste man die neueste Entwicklung nicht nur der momentanen Verhinderung (oder Verzögerung) eines US-Angriffs in Syrien wegen, sondern auch die generelle Entwicklung der Unterstellung der Chemiewaffen unter internationale Kontrolle, sowie der angekündigte Beitritt Syriens zur "Organisation zum Verbot Chemischer Waffen" fiel auf Wohlwollen.

Es kommt jetzt darauf an auf welcher Seite des Blickwinkels man jetzt steht. Für die Kriegstreiber innerhalb der USA wie John McCain oder Lindsey Graham geht dieser Schritt in die falsche Richtung , genau so wie für Israel und die arabischen Scheichtümer am Persischen Golf. Einen Einblick in die Sichtweise Israels gewährt Prof. Gerald M. Steinberg der Bar Ilan Universität in Ramat Gan in seinem kürzlichen Op-Ed (absolut empfehlenswert es sich mal durchzulesen).
Kurz zusammengefasst, auf Obama ist kein Verlass und die arabischen Staaten sollten daher besser auf Israel zählen um den gemeinsamen Feind Iran auszuschalten.

Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein. Obwohl die arabischen Scheichs tatsächlich immer mehr ins US-Israel Camp hineingerutscht sind, würde es zu einem Aufstand in jedem einzelnen dieser autokratisch geführten Scheichtümer kommen, sollten die Herrscher offen gemeinsame Sache mit Israel machen.
Und das ist genau das was im Westen nach wie vor nicht so richtig verstanden wird. Das ist genau das was Hezballah erst so stark gemacht hat und was es in den letzten Jahren erlaubt hat, so etwas wie eine iranische Einflusssphäre bis zum Mittelmeer zu schaffen. Über so viel Einfluss besass der Iran das letzte mal zur Zeit der Sassaniden, obwohl nicht einmal dann der Zugang zum Mittelmeer erfolgte. Und obwohl der Iran genau so wie die Hezballah dem schiitischen Glaubenszweig des Islams angehören, schauen die sunnitischen Brüder und Schwestern trotz allem wegen einer Sache zu ihnen auf: Widerstand!

Es ist der Widerstand gegen die israelische Besatzungspolitik (Palästina, Libanon bis 2000, Ägypten bis 1982) und gegen die US-geführten Kriege im Mittleren Osten der zu einer einigenden Kraft auf der arabischen Strasse geworden ist. Und es geht dabei überhaupt nicht darum das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen, so wie es sehr gerne die Neokonservative Clique in den USA und natürlich Israel selbst darstellt. Es geht schlicht und ergreifend um einen Widerstand gegen eine Kolonisierungspolitik in der Region, welche seit dem Ersten Weltkrieg andauert.
Und während die arabischen Staaten, insbesondere nach Gamal Abd al-Nasser, ihre gemeinsame Position in der Palästina Frage nur noch Proforma verfolgen und sich dem US-Diktat mehr oder weniger unterworfen haben, waren es insbesondere Syrien und dann mit der Zeit auch Hezballah und der Iran die mit Nachdruck eine gemeinsame Position vertreten. Durch die US-Invasion im Irak welche bekanntlich Saddam Hussein zu Fall gebracht hatte, schloss sich dieser dreier Konstellation auch der Irak mit Vorbehalt an. Das mächtigste Land in diesem Triumvirat bildet aber der Iran.

Obwohl Obama nun von Israel und den Ländern der Arabischen Halbinsel als Feigling porträtiert wird, nur weil er sich nicht dazu durchringen konnte dem Weg seines Vorgängers George W. Bush zu folgen, eröffnen sich durch die russische Initiative in Syrien für die USA neue Möglichkeiten im Umgang mit dem Iran.
Man muss sich vor Augen halten dass im Mittleren Osten folgende Krisen gleichzeitig schwellen und teilweise auch miteinander verwoben sind:
- "Friedensgespräche" zwischen Israel und Palästina
- Krieg in Syrien
- Unruhe im Libanon
- Jordanien steht vor Destabilisierung durch US/Saudi/Französische Aktivitäten auf jordanischem Territorium
- Saudi Arabien innere Unruhe
- Bahrain innere Unruhe
- Irak wird von Terroranschlägen überzogen

Solange sich die USA nur auf Syrien konzentriert und sich dort zum Spielball von Saudi Arabien, Qatar und Israel machen lässt, gibt es keine Veränderungen oder Möglichkeiten zur Einflussnahme in den anderen Krisen.
Sollte sich Obama aber durchringen sich gegen die Kriegshetzer zu stellen und den Syrienkonflikt politisch anzugehen, benötigt er die Hilfe nicht nur von Russland, sondern auch vom Iran. Teheran hatte schon mehrfach (und nicht erst seit der Wahl von Präsident Rohani) angeboten an einer Friedenskonferenz teilzunehmen, doch davon wollte man im Westen entweder nichts hören oder man wollte auch von einer Konferenz nichts wissen. Das könnte sich jetzt ziemlich schnell ändern.

Sollte es also demnächst doch nicht zu einem US-Angriff auf Syrien kommen und stattdessen der gleiche Eifer in eine Syrienkonferenz wie die "Genf II Konferenz" investiert werden, dann ist man auf Teheran angewiesen sollte tatsächlich an einer realistischen Lösung gearbeitet werden.
Für Israel ist diese Aussicht natürlich ein Gräuel. Wie es schon Prof. Steinberg geschrieben hat, wäre somit ein grünes Licht für einen israelischen Alleingang gegen den Iran in weite Entfernung gerückt. Und nichts deutet in der gehässigen Rhetorik von Binyamin Netanyahu darauf hin, dass er auch nur einen Millimeter von seinem Wunsch abgerückt ist, einen Angriff auf den Iran zu starten.

Doch es gibt zarte Anzeichen dass sich Obama vorsichtig und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, ein kleines bisschen an Teheran anzunähern. Ein Zeichen dessen ist erst die vom Dienstag initiierte Auflockerung von Sanktionen im Bereich von Sportorganisationen, Menschenrechtsorganisationen oder Katastrophenhilfen um so den Austausch zwischen Amerikanern und Iranern zu ermöglichen. Das ist nicht viel, aber angesichts der feindlichen Haltung des Kongresses gegenüber dem Iran ist das ein klares Zeichen.

Iran macht auch auf rechtlicher Ebene weiter Fortschritte im Kampf gegen die illegal verhängten Sanktionen des Westens. Wie ich bereits in diesem Post geschrieben habe, hat sich Teheran bereits erfolgreich in einigen Fällen gegen dieses Sanktionsregime vor dem Europäischen Gerichtshof gewehrt. So auch wieder letzten Freitag als das Gericht die verhängten Sanktionen für einige iranische Grossunternehmen gerügt hatte, weil es keinerlei Beweise der anklagenden Länder für die Anschuldigung der nuklearen Prolifikation gegeben hat.

Sollte also Präsident Rohani in der Lage sein in den anstehenden Gesprächen während der UN-Vollversammlung in New York in knapp zwei Wochen eine solide Brücke zu schlagen, und EU`s Aussenministerin Catherin Ashton ebenfalls eine unbeeinflusste Position in ihrem Gespräch mit Irans Aussenminister Mohammad Javad Zarif einnehmen kann, dann besteht in der Tat mehr als nur ein Funken Hoffnung auf eine Annäherung.

Insbesondere für die jetzige Regierung in Israel unter Netanyahu ist diese Annäherung ein Desaster. Zum einen stünde die Option eines "präventiven Schlages" gegen den Iran nicht mehr zur Verfügung, zum anderen würde sich der Druck auf Israel erhöhen um endlich zu einer Lösung mit den Palästinensern zu kommen. Seit der Administration von George H.W. Bush, d.h. seit 22 Jahren gab es keinen amerikanischen Druck mehr auf Israel um endlich den langersehnten Frieden mit den Palästinensern zu schliessen. Hier könnte ausgerechnet der Iran zum Joker für diesen Frieden werden.







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen