Mittwoch, 12. März 2014

Ukraine: Chancen und Gefahren für Iran

Die Krise in der Ukraine betrifft den Iran zwar nicht unmittelbar, von wirtschaftlichen Aspekten mal abgesehen, aber sie könnte sich noch zu einem gewaltigen Problem für Teheran entwickeln.

Die offizielle Linie der Islamischen Republik Iran ist genau die selbe wie in Syrien auch: lasst die Menschen selbst und frei von ausländischen Interventionen entscheiden was sie wollen.
Nun gibt es aber solche Stimmen die angesichts der Verhandlungen mit dem Westen um das iranische Atomprogramm die Krise in der Ukraine nutzen wollen, um sich auf die Seite Russlands zu stellen da man ja dem Westen offensichtlich nicht trauen kann. Man erhofft sich dadurch einen mächtigen Partner zu erhalten, der auf verschiedenen Ebenen die iranische Politik unterstützen könnte.
Abgesehen davon dass diese Sichtweise aber gegen die iranische Verfassung verstossen würde, da in dieser eine strikte Neutralität in Form von "weder West noch Ost" verankert ist, hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt dass Teheran gut beraten ist, nicht sämtliche Eier in den russischen Korb zu legen. Obwohl es phasenweise gemeinsame Interessen gibt, verfolgt doch jedes Land für sich eine eigene Politik und Priorität in der Formulierung der Nationalen Sicherheit, welche oft nicht parallel zueinander steht und somit viel Konfliktpotential beherbergt. Zuletzt konnte man das sehr gut beobachten als Russland unter Präsident Medwedew das Raketenabwehrsystem S-300 nicht lieferte, obwohl beide Seiten einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet haben. Oder bei russischen Stimmen im UN-Sicherheitsrat, als auf Drängen der USA und Israel Sanktionen beschlossen wurden. Hier handelte Moskau jeweils eindeutig gegen die nationalen Interessen des Irans. Diese Tatsache ist an sich nichts verwerfliches wenn ein Staat nach seinen eigenen Interessen handelt, soll aber zeigen, dass im Notfall kein Verlass auf eine einseitige Positionierung besteht.

Genauso wenig gibt es Grund zum Anlass sich deswegen komplett auf die Seite des Westens zu stellen, nur weil man sich davon die Lockerung von Sanktionen oder die Anerkennung als Regionalmacht sichern möchte. Diese Anerkennung hat bereits durch die Verhandlungen selbst stattgefunden, allerdings ohne jegliche Garantie dass sich an den Umständen etwas ändern wird.
Es ist wichtig die Fakten zu überprüfen bevor man eine Einschätzung abgeben kann wie sich diese Krise in der Ukraine auf den Iran auswirken wird. Deshalb beginnen wir mal mit dem Offensichtlichen

Unabhängig davon wer am Ende das Sagen haben wird in der Ukraine, oder ob es zu einer Teilung des Landes kommt oder nicht, hat der Westen nach dem Putsch in Kiev nur wenige Mittel in der Hand um Russland die Stirn zu bieten. Daran ändern auch die zwölf US-Kampfjets des Typs F-16 die nach Polen entsandt wurden nichts, und noch viel weniger die sechs amerikanischen F-15 in Litauen. Das sind symbolische Gesten die zeigen sollen, dass die USA auf die gewohnte Art und Weise auf eine Krise reagieren können. Mit einer vor Ort übermächtigen russischen Armee können die USA nicht mithalten. Das einzige was Washington tun könnte, sofern das das Ziel ist, ist für eine Provokation durch die Söldner von Acadami (aka Xe Services, aka Blackwater) welche sich bereits im Osten der Ukraine befinden zu sorgen, um so einen Grund zum Eingreifen zu erhalten. Zugegeben, angesichts der totalen Überlegenheit der russischen Armee vor Ort ist dieses Szenario eher unwahrscheinlich, weil die USA seit dem Zweiten Weltkrieg zwar immer wieder in sogenannte False Flag-Operationen verwickelt waren, aber jedesmal gegen einen deutlich schwächeren Gegner. Selbst wenn dieses Szenario eintreten würde, was wie gesagt sehr unrealitisch erscheint, bliebe den USA bzw. der NATO nur der Luftkrieg als so gut wie einzige militärische Option (nebst dem Einsatz von kleinen Sondereinheiten) übrig. Aber auch diese Option erscheint mehr als fragwürdig, weil Russland oder russische Positionen in der Ukraine nicht Afghanistan, Yemen, Somalia oder die Stammesgebiete von Pakistan sind. Bei einem Angriff aus der Luft würden die Kampfjets wie Tontauben von russischen Abwehrsystemen abgeschossen werden. Der ehemalige Verteidigungsminister unter George W. Bush und Barack Obama, Robert Gates, sagte selbst dass es "keine wirklichen militärischen Optionen für die USA" gibt. 
Dass es für die USA keine militärische Option gibt, heisst noch lange nicht dass es die NATO auch so sieht. Immerhin ist Russland überhaupt der Existenzgrund für die Allianz, welche es nach dem Zerfall der Sowjetunion verpasst hat sich an die neue Realität anzupassen. Obwohl die Ukraine aber kein NATO-Mitglied ist, handelt die Militärallianz so als wäre es eines.


Dann gibt es da noch die unbequeme Tatsache, dass die Ukraine und fatalerweise auch Deutschland sehr stark von russischem Gas und Öl abhängig sind, was nicht gerade für sorglose Nächte in Berlin sorgen dürfte. Fast 40% des deutschen Gases kommt aus Russland, ebenso wie 35% des Erdöls aus dem Riesenreich stammt.
Das bedeutet nicht dass man sich von Moskau einschüchtern lässt wie es die subversiven Aktionen der EU in den verschiedenen "Farbenrevolutionen" gezeigt haben. Aber mehr als das wurde bisher aus verschiedenen Gründen von seiten der EU noch nicht gegen Russland unternommen. Aber das könnte sich jetzt im Falle der Ukraine ändern. Sollten sich die EU, oder viel mehr das mächtigste Land der EU, Deutschland, mit den USA über den weiteren Weg in der Ukraine einig werden und den Einsatz für Russland erhöhen, dann liegt es wiederum an Moskau zu entscheiden in welche Richtung sich die Situation weiter entwickelt. Aufgrund dessen dass die Ukraine, oder zumindest die Krim-Halbinsel sowie der Osten des Landes, von elemanterster Bedeutung für die Nationale Sicherheit Russlands ist, wird Vladimir Putin sich nicht wegen ein paar nichtssagenden Sanktionen aus Brüssel und Washington einschüchtern lassen. Auch er weiss, dass die Putschisten von Kiev mehr als nur diese eine Milliarde US-Dollar brauchen die von den USA in Aussicht gestellt wurden. Und die zugesagte "Hilfe" des IWF ist gar keine Hilfe, sondern ein Kredit der dem Land gewährt wird. Mit einem Kredit lösen sich aber auch trotz Einsparungen keine der zahlreichen strukturellen Probleme der Ukraine in Luft auf. Im Gegenteil, man hat auch in der ukrainischen Presse gesehen was in Griechenland oder Zypern passiert ist.
Putin hält auch den Finger auf dem Gashahn in Richtung Europa, und wird nicht davor zurückschrecken diesen zuzudrehen sollte er sich dazu gezwungen fühlen. Selbst wenn es bedeutet, dass er sich damit vorerst ins eigene Fleisch schneidet, weil Europa bis jetzt der grösste Abnehmer von russischem Gas und Öl ist. Es ist also nicht nur Europa das von Russland zu einem gewissen Grad abhängig ist, sondern auch Russland von Europa.
Diese Abhängigkeit wollen beide Seiten reduzieren. Günther Öttinger, der oberste Energiekomissar der EU, hat bereits einige Knöpfe gedrückt die Russland mit Sicherheit ärgern werden. So hat er die Gespräche für die Bewilligung zum Bau der South-Stream Pipeline vorerst ausgesetzt, und die Genehmigung zur besseren Auslastung (sprich mehr russisches Gas) der North-Stream Pipeline wurde ebenfalls auf Eis gelegt.
Moskau hingegen orientiert sich seit einiger Zeit mehr in Richtung Asien und will dort den stetig wachsenden Energieappetit stillen. Das Ziel ist es bis zum Jahr 2035 den Anteil vom europäischen Markt von bisher 94% (des russisches Gases) auf  69% zu reduzieren, während der asiatische Anteil im gleichen Zeitraum verfünffacht werden soll.

Wer soll also für das fehlende Gas und Öl für die Ukraine und Europa aufkommen? Nun, kurzfristig kann zumindest für die Ukraine kein Ersatz gefunden werden da das Land fast vollständig von Russland abhängig ist. In den USA werden unterdessen die Rufe immer lauter, das Gesetz von 1973 zu kippen, welches den US-Unternehmen verboten hat amerikanisches Öl zu exportieren als die OPEC aufgrund des US-Eingreifens in den Oktoberkrieg in Israel die Lieferungen in die USA stoppte. Aufgrund des Energiebooms in den USA durch das fracking, sind die Vereinigten Staaten plötzlich zu einem Energiegiganten aufgestiegen und könnten erstmals seit über 60 Jahren wieder Überschüsse exportieren, während gleichzeitig die einheimische Produktion den Eigenbedarf deckt.
Es gibt Vorstösse wie die von Senator John Barrosso, der letztes Jahr einen Entwurf vorgelegt hatte, welcher den Export von flüssigem Gas für US-Alliierte wie Japan oder Indien erlauben würde. Für Barrosso geht es aber viel mehr darum, diesen Ländern einen Ersatz für iranisches Öl und Gas zu bieten, damit das Sanktionsregime der USA aufrecht gehalten werden kann.

Könnte sich aber tatsächlich amerikanisches Gas als Ersatz, oder zumindest als ein gewichtiger Lieferant für den Energiehunger Europa`s anbieten? Glaubt man der Meinung des Leiters des "Büro für Energieressourcen" des US-Aussenministeriums, einer eigens für die Entwicklung von geopolitischen Energiestrategien der USA gegründeten Abteilung, dann soll genau das bezweckt werden um Europa aus der "Abhängigkeit von Gazprom" zu entreissen. Diese Abteilung arbeitet eng mit dem "Energie Sicherheitsrat" zusammen, eines Energie Think Tanks dem viele ehemalige Regierungsmitglieder, Diplomaten und Militärs angehören. Dieser "Energie Sicherheitsrat" setzt sich für eine aggressive Energiepolitik der US-Regierung ein, um das "Monopol des Öl`s im Fortbewegungsbereich" zu brechen und somit auch die Macht der OPEC. Was auf den ersten Blick wie der in Deutschland berühmt gewordene "Energiewandel" aussieht, ist viel mehr die Absicht die USA als globale Energiesupermacht aufzubauen. Oder wie es Robert McNally, ein Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der Bush-Administration, formulierte: "Im Zweiten Weltkrieg waren wir das Arsenal der Demokratie. Ich denke wir werden das Arsenal der Energie werden."
Der Zweck dieser ganzen Übung ist aber nicht etwa Europa aus der Energieabhängigkeit von Gazprom zu führen und dafür zu sorgen, dass die Europäer an billiges Gas oder Öl kommen. Das Gegenteil ist der Fall. Das Pendel der Abhängigkeit soll von Russland nur auf die andere Seite des Atlantiks in Richtung Amerika schlagen, während gleichzeitig die Ölmonarchien geschwächt werden sollen. Jeglicher Widerstand gegen diese Pläne kann und wird mit Waffengewalt gebrochen werden, wie die erst kürzlich eingegangene Kooperation zwischen des "Energie Sicherheitsrats" und des berüchtigten Söldnerunternehmens Academi (aka Xe Services, aka Blackwater) zeigt.

Aber kehren wir nochmal zur Frage zurück ob die USA überhaupt als Ersatz für Russland in Frage kommen könnten. Momentan gibt es nur die Möglichkeit das Gas aus den USA per Tanker zu transportieren. Das bedeutet dass das Gas erst verflüssigt werden muss und später am Zielort wieder in Gas umgewandelt werden muss. Das wiederum setzt voraus, dass das Zielland über einen Meereszugang verfügen muss. In den USA gibt es zur Zeit aber nur ein einziges Export-Terminal welches dieser Aufgabe nachkommen könnte, das Sabine Pass LNG-Terminal im Bundesstaat Louisiana, welches aber erst nächstes Jahr fertig gestellt wird. Auch hier sind also die Möglichkeiten begrenzt das amerikanische Gas überhaupt erst auf den Weg irgendwo hin zu schicken.
Zudem kommen die Kosten für die LNG-Terminals dazu, die bei ca. 15 Milliarden US-Dollar pro Terminal liegen. Ausserdem spielt auch eine wirtschaftliche Tatsache eine nicht zu unterschätzende Rolle in dieser ganzen Planung. Nämlich die Tatsache, dass jedes Unternehmen gewinnorientiert arbeiten möchte und die "Ware" dorthin liefert, wo man schlicht mehr Geld verdienen kann. Und auf dem asiatischen Markt erhalten die Gasproduzenten zur Zeit fast das Doppelte für ihr "flüssiges Gold" als in Europa. Das bedeutet dass auch die US-Konzerne sich lieber in Richtung Asien orientieren werden um ihr Geld dort zu verdienen, als sich wegen der Politik mit den Europäern um jeden Cent streiten zu müssen. 

Hier könnte sich eine gute Chance für den Iran entwickeln. Nicht umsonst hat der iranische Präsident Hassan Rohani klar gemacht, dass der iranische Fokus auf europäischen Unternehmen liegt um die Infrastruktur des Landes auszubauen. Die Konzernbosse von Shell und Total haben auch schon mehrfach betont, dass es für die weltweite Nachfrage von Gas unerlässlich wäre, die iranischen Vorkommen an das globale Netzwerk anzuschliessen.
Die Voraussetzung dafür ist ein erfolgreicher Abschluss der Atomverhandlungen zwischen dem Westen und dem Iran. Die Ukraine Krise könnte eine gewisse Rolle in der Entscheidungsfindung der Europäer und Amerikaner in ihren Verhandlungsrunden mit den Iranern spielen, da man sich der schlechten Optionen (in welche sich die EU und USA selbst gebracht hat!) durchaus bewusst sein wird.
Bereits im Dezember hat Qatar als der bisher grösste Exporteur der Welt von Flüssiggas, mit einem Anteil von 32.6%, angekündigt, den Iran in der Modernisierung der technischen Anlagen am gemeinsamen Megagasfeld von North Field/South Pars unterstützen zu wollen.

 Was von einigen arabischen Analysten als PR-Gag zu diesem Zeitpunkt bezeichnet wurde, könnte aufgrund der ausgebrochenen Krise innerhalb der GCC (Golf Kooperationsrat) nicht nur Realität werden, sondern sich noch ganz anders entwickeln als man das bisher für möglich gehalten hat.
Die Krise auf der arabischen Halbinsel brach aus, als Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihre Botschafter letzte Woche aus Qatar abgezogen haben, nachdem man den Qataris vorgeworfen hat, sich in die "inneren Angelegenheiten der einzelnen GCC-Ländern" eingemischt zu haben. Konkret liegt es daran, dass Qatar sich zusammen mit der Türkei weiter als Unterstützer der Muslimbruderschaft betrachtet, während Saudi Arabien und die Arabischen Emirate die Muslimbrüder als Gefahr für sich selbst einstufen. Saudi Arabien deklarierte die Muslimbruderschaft als eine Terrororganisation (was auch Ägypten bereits im Dezember getan hat). Riad ging sogar noch weiter und drohte Qatar explizit damit, die Grenzen zwischen den beiden Ländern sowie den Luftraum zu schliessen, was für den Inselstaat einer Katastrophe gleich käme. Desweiteren verlangt Riad die Schliessung von Al Jazeera, dem grössten und einflussreichsten TV-Sender der arabischen Welt.

Diese Entwicklung wird zweifelsohne dazu führen, dass sich Qatar noch weiter in Richtung Iran und Oman bewegen wird. Oman, welches traditionell, kulturell und religiös schon wenig gemein hat mit den anderen Ländern der Arabischen Halbinsel und allein schon wegen ihrer sehr guten Beziehungen zum Iran ein Dorn im Auge der Saudis war, dürfte diese Entwicklung als Bestätigung für die jahrzehntelange eigenständige Politik betrachten genauso wie es für Qatar ein Vorbild sein könnte. Das alles spielt dem Iran natürlich in die Hände und vergrössert dessen soft power  in der Region nur noch mehr.
Für die Kooperation zwischen Qatar und Iran auf dem Gebiet der Gasförderung kann diese politische Krise im GCC-Verbund nur förderlich sein. Beide Seiten könnten von einer engeren Zusammenarbeit profitieren. Wo Qatar unter der Führung von Sheikh Hamad bin Khalifa al-Thani, dem Vater des heutigen 33-jährigen Herrschers Tamim bin Hamad al-Thani, noch das Gasgeschäft fast im Alleingang dominieren wollte (siehe meinen Bericht vom 15.10.2012 "Warum Syrien?"), scheint sein Sohn realistischer eingestellt zu sein und versucht vorhandene Synergien zu optimieren. So könnte Teheran von den Erfahrungen im Gas-Verflüssigungsprozess Qatar`s profitieren, und Doha im Gegenzug dafür die iranischen Gas-Pipelines nutzen (und weiter ausbauen) um das Gas im Bedarfsfall billiger anbieten zu können.


Qatar dürfte daher bei dem bevorstehenden Besuch des iranischen Präsidenten Hassan Rohani in Saudi Arabien eine prominente Rolle spielen, nebst anderen Angelenheiten wie der Krieg in Syrien oder auch die konfessionelle Spaltung des Mittleren Ostens zwischen Sunniten und Schiiten.

Man kann also durchaus Chancen und Potentiale für den Iran aufgrund der ausgebrochenen Krise in der Ukraine feststellen. Die Gefahr besteht meiner Meinung nach nur für den Fall, dass sich der Iran aufgrund von weiteren geopolitischen Verschiebungen im Norden auf die eine oder andere Seite stellt. Solange Teheran aber neutral bleibt und die sich bietenden Chancen klever nutzt, wird sich das Risiko auf negative Auswirkungen begrenzt halten.






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